Kürzlich im heimischen Bahnhof: Plakate säumen Wände und Automaten. Darauf abgedruckt Bilder von Kaninchenkäfigen. Die Überschrift: «Grausame Kaninchenmast». Darunter Name, Adresse, Telefon-, Natelnummer und Emailadresse des Züchters. Die kürzlichen Attacken von ausländischen Tierschützern auf Novartischef Vasella haben wohl unsere heimischen Schützer aus dem Schlaf gerüttelt. Nicht Entführung und Brandanschläge sind die Mittel der Schweizer, sondern Pranger. Ganz nach dem Vorbild der Schlägerei von Kreuzlingen und dem Fall D.H und Lucie werden Bilder der Kaninchenställe und die Adressen deren Halter öffentlich gemacht. Diese mittelarterlichen Folterungsmethoden habe ich in einem früheren Beitrag schon einmal thematisiert. Verantwortlich für die Plakataktion zeichnet sich der Verein gegen Tierfabriken. Dessen Gründer, Erwin Kessler, engagiert sich unter anderem zusammen mit scheinbar 30’000 weiteren Mitgliedern in der Schweiz für den Schutz der Nutz- und Labortiere.
Wie diese Prangeraktionen dem Schutz der Tiere dienen sollen, bleibt offen. Auf seiner Webseite veröffentlicht der Verein ganze Listen von so genannten «Tierquälern» und «Kastenkaninchenhaltern». Darauf finden sich Name, Adresse und Kontaktdaten der jeweiligen Personen. Kann man da noch von Tierschutz sprechen? Nein. Ich bezweifle auch, dass die Beschuldigten von dem öffentlichen Pranger im Internet und auf Plakaten etwas wissen. Rechtlich gesehen eine fragwürdige Aktion, welche sicher angefochten werden könnte. Hier geht es nur noch darum, die «Täter» zu bestrafen, indem man öffentlich versucht ihrem Ruf zu schaden. Das kommt schliesslich keinem Kaninchen zu Gute.
Wo soll das noch hinführen? Der (Internet)-Pranger hat schon bedenkliche Ausmasse angenommen. Darf ich in Zukunft noch Fleisch aus Argentinien essen ohne dafür öffentlich vorgeführt zu werden? Den Tierschutz in allen Ehren, doch auf solche Tierschützer können wir getrost verzichten.
Im 13. Jahrhundert wurden sie eingesetzt, um Verurteilte öffentlich blosszustellen. Die Pranger. Säulen, Holzpfosten oder Plattformen, auf denen ein Verurteilter öffentlich gefesselt und vorgeführt wurde.
Auch heute trifft man auf solche Fälle. In den Medien. Neustes Beispiel: Die Schläger von Kreuzlingen TG. Drei junge Männer verprügeln zwei Passanten in einer Bahnhofsunterführung. Sie werden von Überwachungskameras bei ihrer Tat gefilmt. Die Polizei veröffentlicht das Video, weil sie sich so Hinweise auf die Identität der Täter erhofft. Die Medien springen auf. Kurze Zeit später findet man das Video, Bilder und Texte dazu in allen Nachrichten.
Die Auswirkungen für die Betroffenen sind durch die starke Vernetzung der Medien aber viel weitreichender als damals. Einst musste der Bestrafte «nur» die Schande der Stadt oder des Dorfes über sich ergehen lassen. Heute die der ganzen Nation oder der ganzen Welt. Eine unproportional grössere Belastung. Die zur Schau gestellten kann man nach solchen Aktionen als sozial tot bezeichnen. Sie können sich nirgendwo mehr blicken lassen. Darum stellt sich die Frage, inwieweit diese öffentlichen Pranger oder Hinrichtungen durch die Medien gerechtfertigt sind und wo Zurückhaltung geboten ist.
Die Aktion von Kreuzlingen war ein voller Erfolg. Die Täter wurden inzwischen identifiziert und geschnappt. So rechtens sie aber auch sein mag, nötig war die Aktion nicht. Dass die Justiz nicht die Fähigkeit hat abzuwägen, welche Auswirkungen ein solcher Fahndungsauruf hat, leuchtet ein. Doch zumindest den Medien müsste klar gewesen sein, dass sie diese drei Männer für immer brandmarken. Die Fahndung hätte bestimmt auch in kleinerem Rahmen zum Erfolg geführt. Zum Beispiel mit einem Bild nur in der Thurgauer Zeitung. Ob die Polizei vielleicht sogar selbst zu faul war, nach den Tätern zu suchen, sei dahingestellt. Wer jetzt denkt, die Täter hätten diese Art der Behandlung verdient, setze sich mal in die Lage der Eltern, Freunde und Bekannte!
Es kann nicht sein, dass die Medien die Funktion der Gerichte und Polizei übernehmen und schon vor der eigentlichen Anklage die Tat bestrafen. So gerecht es in manchen Fällen auch erscheinen mag. Leider sind die Menschenwürde und gegenseitiger Respekt heutzutage wenig beachtete Werte mehr.
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