
Auszug: Bote der Urschweiz, 05.02.2010
Auch wenn Nachrichtenagenturen die Texte liefern – der Titel ist immer noch Hoheitsgebiet der jeweiligen Zeitung und wird selber getextet. Von grosser Qualität oder Sorgfalt ist trotzdem selten eine Spur. Nicht mal auf der Frontseite! Titel sollen schliesslich die Aufmerksamkeit des Lesers wecken, zum Lesen animieren und manchmal auch ein wenig provozieren. Das dachte sich wohl auch der «Bote» und veröffentlichte am vergangenen Freitag folgende irritierende Schlagzeile zum Steuerstreit mit Deutschland: «Schweizer Bankdaten gekauft».
Was selbst heute Samstag noch nicht definitiv ist, wusste der Bote also schon am Freitag. Vor allen anderen Medien. Seltsam für eine Tageszeitung, deren Neuigkeiten sich jeweils auf die Meldungen von gestern beziehen und deren Ausgaben in manchen Landesteilen immer einen Tag zu spät erscheinen.
Was weiss also der Bote, was die anderen (noch) nicht wissen? Nach der Lektüre des Artikels muss der Leser enttäuscht feststellen: Nichts. Der Titeltexter hat sich in der Zeitform vergriffen.

Edgar •

06.02.2010 um 5:52 pm •
Bote der Urschweiz •
Comments Off on Heute oder morgen – kein Detail!

Bote der Urschweiz in die RS: tägliche News von gestern
Tageszeitungen, die erst am Tag nach dem Erscheinen beim Leser ankommen: eigentlich unvorstellbar. Und doch gibt es sie. «Bote der Urschweiz» nennt sich der vermeintliche Newsgarant aus der Innerschweiz. Und wieder einmal trifft es uns «Bündner», die ja schon auf diverse Gratiszeitungen verzichten müssen.
Der «Bote der Urschweiz» ist eine Tageszeitung im Kanton Schwyz. Sie erscheint sechsmal wöchentlich. Da ich aus dieser Gegend komme, aber in Chur studiere, habe ich die Zeitung nach Graubünden abonniert. Seit gut einem halben Jahr erhalte ich den «Boten» pünktlich jeweils einen Tag zu spät.
«Zeit reicht schlicht nicht aus»
Eine Anfrage beim Abonenntenservice ergab, dass die Gleichtagszustellung in Chur leider nicht garantiert werden könne. Die Zeitungen würden um 3 Uhr in der Nacht abgeholt und nach Mülligen ins Verteilzentrum gebracht. Sie müssten für eine Gleichtagszustellung bis um 6 Uhr in Chur sein, teilte man mir mit. Dafür reiche die Zeit schlicht nicht aus.
Wer (hat) versagt? Die Post oder der Verlag? Die Schwyzer Zeitung, ebenfalls ein Produkt aus dem Kanton Schwyz, hat mit der Gleichtagszustellung jedenfalls keine Probleme. Dort teilte man mir mit, dass ihre Zeitung noch am gleichen Tag in Chur zugestellt werden würde. Und auch die Post lässt keine Zweifel aufkommen, dass eine Gleichtagszustellung auch in Graubünden möglich wäre. Für Printmedien bietet die Post nämlich einen speziellen Service.
Kein Rabatt
Auf meine Forderung nach einem (begründeten) Rabatt entgegnete man lapidar:
Das Bote-Abo kostet im Jahr Fr. 278.- für 300 Ausgaben. Das macht pro Ausgabe weniger als 95 Rappen. Für einen A-Post-Brief kostet schon allein das Porto 1 Franken, und der wird erst am Tag nach der Post-Aufgabe zugestellt.
Die Realität sieht anders aus. Gerade weil Printmedien von speziell vergünstigten Tarifen profitieren (post.ch, «Zeitungen Schweiz», PDF). Schon unter 10 Rappen pro Stück (Erzeugnisse mit Presseförderung) landen die Zeitungen «frisch gedruckt und gleichentags beim Empfänger».
Lieber Bote der Urschweiz: Ist das Leserservice? Welcher andere Trottel bekommt die Tageszeitung von heute erst morgen?
Wie der «Bote der Urschweiz» berichtet, stand die «NZZ am Sonntag» am vergangenen Freitag vor dem Richter des Bezirksgerichts Schwyz. Grund des Anstosses ist eine Artikelserie über die Pensionskasse Pro mit Sitz in Schwyz. Die Pensionskasse wirft der NZZ am Sonntag unlauteren Wettbewerb vor. Zwischen Dezember 2006 und Januar 2009 seien mehrere kritische Artikel über die Pensionskasse publiziert worden, die herabsetzend sind und «zum Teil» nicht der Wahrheit entsprechen.
Die NZZ kritisierte in den Artikeln vor allem die hohen Verwaltungskosten der Pensionskasse und die undurchsichtigen Geschäftsführungspraktiken. Unter anderem bekam in den Artikeln auch der Gründer und Präsident der Pensionskasse Pro, CVP-Nationalrat Reto Wehrli, sein Fett ab. Waren die Anschuldigungen gerechtfertigt? Vieles deutet darauf hin. Das merkte wohl auch Reto Wehrli, nachdem der frühere Marketings- und Verkaufsleiter 2007 wegen Veruntreuung von Pensionskassengeldern verurteilt worden war. Wehrli gab 2008 seinen Rücktritt aus dem Präsidium bekannt. Wurde es ihm zu heiss? Diese und weitere Tatsachen zu publizieren war mehr als legitim. Dieser Meinung ist auch die NZZ am Sonntag, die vor Gericht sämtliche Anschuldigungen bestritt.
Laut «Bote» wurde noch kein Urteil gefällt. Der Richter empfahl den Parteien, sich auf einen Vergleich zu einigen. Das dürfte sich allerdings als sehr schwierig erweisen, da sich die NZZ mit einem Vergleich der unwahren oder unvollständigen Berichterstattung schuldig bekennen würde. Zudem würde sich die Autorin der Artikel vor den Kopf gestossen fühlen. Die NZZ hatte im Sinne der Öffentlichkeit ein Interesse daran, die Gechäftspraktiken der Pensionskasse Pro zu durchleuchten und wird wohl auch an den publizierten Tatsachen festhalten. Einen Vergleich halte ich daher für unwahrscheinlich.
In der Medienwelt stellt sich unweigerlich die Frage, wie man Bilder in Artikeln oder Beiträgen sinnvoll verwendet – in der Presse sowie im Fernsehen. Beim Radio weniger 😀 . Es gibt viele schlechte Beispiele. Im Fernsehen, wo wir Bilder sehen, die gar nichts mit dem zu tun haben, was der Moderator gerade erzählt. Oder in Zeitungen, wo sich Fotos mit dem widersprechen, was der Text sagt. Manche Zeitungen drucken Bilder einfach, um Platz zu füllen. Dem entsprechend sinnlos sehen diese dann auch aus.
Kürzlich habe ich zwei sehr gute Beispiele in zwei Lokalzeitungen gefunden. Sie zeigen schön und anhand des gleichen Themas, wie man es (nicht) machen sollte.


Die Bilder wurden von zwei unterschiedlichen Fotografen gemacht. Beide Artikel, im Einsiedler-Anzeiger sowie im Boten der Urschweiz, handelten von einer Sponsoringaktion der Versicherung Mobiliar auf der Klostermauer Einsiedeln. Hier zeigt sich sehr schön, wie man den Text durch ein aussagekräftiges Bild unterstützen kann – oder eben nicht. Dem Fotografen des Boten ist ein Bild gelungen, auf das man gerne zweimal schaut. Beim Einsiedler Anzeiger hingegen visualisiert der Fotograf gut das Ausmass der Sponsoringaktion, aber diese Druckerschwärze hätte man sich sparen können.
Auch Zeitungen werden nur von Menschenhand geschaffen. Wo das Geld für Lektoren fehlt – das sind jene, die die Texte auf ihre Rechtschreibung hin überprüfen – da sind sehr oft komische Satzstellungen und Wörter zu finden. Ein Paradebeispiel dafür ist die Onlineausgabe von 20min.ch. Vor allem am Wochenende. Aber auch in Printausgaben finde ich hin und wieder lustige Formulierungen. So im Boten der Urschweiz vom 31. März 2009. Da steht folgendes (Ausschnitt):
Voralpen-Express ist beliebt
Die Zahl der Personenkilometer konnte gegenüber dem Rekordjahr 2009 leicht gesteigert werden; Von 138’47’055 auf 138’548’136 Pkm. Mit neuen Verpflegungsautomaten wurde das Komfortangebot markant verbessert.
Im nächsten Satz:
Die von den Reisenden gefahrenen Personenkilometer konnten 2008 gegenüber dem Vorjahr um 0,056 Prozent auf 138’548’136 gesteigert werden. Seit dem Sommer kommen die Fahrgäste zudem in den Genuss von neuen Verpflegungsautomaten mit einem aktuellen Angebot.
Es ist offensichtlich. Hier wurde 1:1 eine Medienmitteilung publiziert. (Original Medienmitteilung unter Voralpen-express.ch). Gemäss Kürzel am Ende des Textes wurde die Meldung in diesem Wortlaut von der Schweizer Depeschenagentur übernommen (sda). Kein gutes Beispiel. Wenigstens die Doppelnennung hätte man bemerken müssen.
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