Schleichwerbung für «Carpe Diem»

Die Pendlerzeitung Blick am Abend lebt von Werbung. Viel Werbung. Daran hat sich der Leser inzwischen gewöhnt. Er kann sie einfach überspringen. Oder doch nicht? Nein. Leider gibt es auch immer wieder Fälle, bei denen nicht klar ersichtlich wird, was Werbung und was Inhalt ist. Obwohl das Schweizer Lauterkeitsrecht eigentlich verlangt, dass Werbung und redaktioneller Inhalt klar abgegrenzt werden. Zum Beispiel durch die Beschriftung als «Anzeige» oder «Publireportage».

Dem Blick am Abend ist das anscheinend egal. Ganz unverblümt wird da jeden Freitag ein Wohlfühl-Tipp präsentiert. Und jeden Freitag mit dabei: das Getränk «Carpe Diem». Da heisst es dann zum Beispiel:

Konzentrieren Sie sich auf den Moment. Auch beim Trinken: Nehmen Sie jeden Schluck bewusst wahr – wenn Sie beispielsweise ein gesundes Carpe Diem Kombucha geniessen.

Oder so:

Gönnen Sie sich dazu ein 100 Prozent natürliches Carpe Diem Kombucha. Das Enzymgetränk unterstützt den Reinigungsprozess des Körpers auf vielfache Weise: Es reguliert die Verdauung, kurbelt den Sto wechsel an, wirkt entgiftend und unterstützt die körpereigenen Abwehrkräfte.

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Ausschnitt: Blick am Abend, 27.11.2009

Man muss kein Genie sein um zu erkennen, dass es sich hier um Schleichwerbung handelt. Im redaktionellen Teil einer Zeitung hat sowas auf jeden Fall nichts verloren. Schon gar nicht jede Woche aufs Neue. Als Leser kann ich einen solchen Tipp überhaupt nicht ernst nehmen. Er ist nicht vertrauenswürdig. Zudem stelle ich mir als Leser schon die Frage: Wo verarscht mich Blick am Abend denn sonst noch?

Schlechtes Timing bei «Blick am Abend»

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Gegenüberstellung 20min.ch und Blick am Abend. Bilder: 20min.ch und Blick am Abend

Facebook ist längst auch zu einer Spielplattform avanciert. Statt dem Dozenten zu lauschen, widmen sich Studenten lieber ihren Cafés, gründen Mafiaimperien oder bauen Freizeitpärke. «Blick am Abend» findet das toll und veröffentlichte einen Artikel über das Spiel «Farmville» des Herstellers Zynga.

«Farmville – Das Facebook-Spiel begeistert Millionen», heisst es im Artikel, der am Freitag erschienen ist. Darin ist zu lesen, wie viele Menschen sich täglich durch ihren virtuellen Bauernhof klicken und wie erfolgreich und beliebt das Spiel doch sei. Auch der Farmville-Erfinder Mark Pincus kommt zu Wort.

Dumm nur, dass heise.de genau einen Tag zuvor über die Abzockermaschen von Zynga berichtete, mit denen Facebooknutzer in Abofallen gelockt werden. Und wer ist CEO der Firma Zynga? Auch Mark Pincus. Ist der Artikel im «Blick am Abend» nur schlechtes Timing oder bewusst platzierte Werbung?

Spätestens bei der täglichen Lektüre von 20min hätte der Redaktion von «Blick am Abend» dieser Ausrutscher auffallen müssen.

Redaktor gegen Redaktor

blickamabendSpät bemerkt aber trotzdem erwähnenswert: In der Freitagausgabe des «Blick am Abend» findet sich auf Seite 5 eine Rückwärtskutsche gegen einen Redaktoren der Aargauer Zeitung. Ein stellvertretender Ressortleiter Sport hatte sich in der Aargauer Zeitung in einem Kommentar über den Sieg des FC Zürich gegen den AC Milan hergemacht. Er meinte, dass der Sieg auf Glück zurückzuführen und Zürich ja eigentlich gar keine Sportstadt sei.

Das liess sich ein Redaktor von Blick am Abend und «Zürcher aus religiösen Gründen» natürlich nicht gefallen und verfasste prompt eine Retourkutsche. Damit auch jeder den Fehlbaren auf der Strasse erkennt, klaut er gleich noch ein Foto aus der Mitarbeiterübersicht der Aargauer Zeitung.

Müssen diese Streitereien unter vermeintlichen Berufskollegen wirklich öffentlich geführt werden?